2021 |
Ein ganz normaler Saal in einem ganz normalen Gerichtsgebäude in Deutschland. Raum Nummer 600 - Justizpalast Nürnberg. Seine Geschichte macht den Unterschied aus. Hier fanden 1946, vor 75 Jahren, die Prozesse gegen die Hauptangeklagten des NS-Regimes vor den Richtern aus Großbritannien, Frankreich, den USA und der Sowjetunion statt. Es hatte nach der Kapitulation des NS-Reiches am 8. Mai 1945 durchaus Meinungen bei den Alliierten gegeben, die gefassten NS-Täter einfach hinzurichten. Aber die Verbrechen waren so ungeheuerlich, dass man entschied, die NS-Größen vor ein internationales Gericht zu stellen.
1946 |
Auch heute noch wird im Saal 600 Recht gesprochen, etwa 2011, als gegen einen Neonazi verhandelt wurde, der in der U-Bahn einen vermeintlichen Linken so schwer verletzt hatte, das dieser bleibende Schäden zurückbehielt. Während der Verhandlung kam es im Saal zu Auseinandersetzungen und der Richter musste den Prozess räumlich verlegen. 'Der Schoss ist fruchtbar, aus dem das kroch' warnte einst Bertold Brecht....
Das für die Prozesse genutzte Gerichtsgebäude war Teil des umfangreichen Nürnberger Justizpalastes, wenige Kilometer von der Innenstadt entfernt. Da hier die alliierten Bombenangriffe nicht so große Schäden angerichtet hatten und sich außerdem direkt hinter dem Gericht ein Gefängnis befand, wählten die Alliierten diesenStandort. Sie befürchteten Befreiungsversuche und Anschläge von Hitler-Anhängern und so wurde das Gelände militärisch hermetisch abgeriegelt. Den Prozess durften nur Pressevertreter und besondere Gäste vor Ort verfolgen. Der Saal wurde damals für den Prozess umgebaut, nach Gründung der Bundesrepublik hat man ihn dann erneut umgestaltet.
Die 50 Bände umfassenden Prozessakten wurden nach dem Prozess veröffentlcht, aber von der deutschen Öffentlichkeit kaum beachtet. Bei einem Besuch des Amerikahauses in Hamburg, es befand sich an der Moorweide, fand ich sie bei einem Besuch, Anfang der 1970er Jahre, sie erstreckten sich im Lesesaal über eine große Regalwand.
Die Gedenkstätte wurde im Jahr 2010 eröffnet. Erst im Jahr 2000 war es für Besucher überhaupt möglich, den Saal im Rahmen einer Führung zu besichtigen. Immerhin ist er ein Symbol für das internationale Recht, denn erstmals wurden hier Verantwortliche für Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Rechenschaft gezogen und vrn einem internationalen Tribunal verhandelt. Einen ähnliche Prozess gab es nach der Kapitulation Japans gegen die Kriegsverbrecher in Tokio - der Kaiser (Tenno) blieb verschont. Mit dem sich 1946 bereits anbahnenden 'Kalten Krieg' zwischen den Westmächten und der Sowjetunion, kamen viele Verantwortliche des
NS-Staates und ihre Profiteure in den Folgeprozessen glimpflich davon. Abgesehen von den im ersten Prozess zum Tode Verurteilten wurden viele Täter zwar zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt, aber nach Gründung der Bundesrepublik entlassen. Die Deutschen wollten vergessen, wie sie am NS-System und seinen Verbrechen mitgewirkt und profitiert hatten, sie sahen sich angesichts der Zerstörungen nur als Opfer und 'hatten von nichts gewusst'. Erst 1963 sollte der Frankfurter Prozess gegen die Verantwortlichen des Vernichtungslagers Auschwitz vor allem vielen jüngeren Deutschen die Augen öffnen. Danach fragten die Heranwachsenden ihre Eltern: 'Und was hast Du damals gemacht?'Nürnberg - Symbolort des NS-Staates
Katalog 1984 |
Die Alliierten hatten nicht ohne Grund Nürnberg für das internationale Tribunal gegen die NS-Täter gewählt. Neben seiner Rolle als Produktionsstandort der Kriegswirtschaft, war die Stadt ein Symbol für das 'Dritte Reich' - für die Nazis wie für die Alliierten. Hier hatte die NSDAP bereits 1927 und 1929 Reichsparteitage veranstaltet, nach 1933 wurde außerhalb des Zentrums ein monströses Aufmarschgelände in kurzer Zeit gebaut, an den Parteitagen nahmen bis zu eine halbe Million Menschen teil. Meine Mutter mokierte sich darüber: "Ja ja und heute ist keiner dabei gewesen".
Nürnberg hatte für den NS-Staat hohen Symbolwert, fanden hier doch im Mittelalter die Reichstage statt, die Reichsinsignien wurden hier aufbewahrt. Im Jahr 1935 wurden auf dem Reichparteitag die sogenanten 'Nürnberger Gesetze' verkündet, die Ehen und Verbindugnen zwischen Juden und 'arischen' Deutschen untersagten und unter schwere Strafe stellten. Diese 'Rassegesetze' waren ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Aussonderung der JUden in Deutschland und damit zum späteren Holocaust. In Nürnberg hatte Hermann Göring diese Terrorgesetze verkündet - zehn Jahre später fand er sich im Saal 600 auf der Bank als Angeklagter wieder.
...hier saßen die Täter.... |
Touristen kommen gerne...auch zum NS-Parteitagsgelände
Den Touristen scheint es jedenfalls zu gefallen, denn Bayerns zweitgrößte Stadt ist bei ihnen beliebt und sie strömen auch Sonntags durch die City. Viele haben auch das einstige Reichsparteitags-Gelände als besonderen 'thrill' auf der 'to do list'. Daher bieten die Stadtrundfahrten per Bus diese 'Sehenswürdigkeit' auf ihren Fahrzeugen als eines ihrer highlights an.
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