Dienstag, 8. April 2014

Erinnerung an Karl-Heinz Ressing



7. April 2013: Heute wäre mein Vater 100 Jahre alt geworden....


 Karl-Heinrich Gerhard Ressing
7.4.1913-10.7.1994


Montag der 7. April 1913 - der Tag im Nordwesten des Deutschen Reiches ist kalt und trocken - das Thermometer zeigt gerade 10 Grad.

Heinz mit 4 Jahren - Ölbild 1917


In der westfälischen Kleinstadt Gronau - direkt an der niederländischen Grenze - nur wenige Kilometer von Enschede entfernt, wird Karl-Heinrich Ressing in der nahe dem Ortszentrum gelegenen Schiefestraße geboren (www.1001-stadtplan.de/Stadtplan/Gronau/str/Schiefestrasse.map.)

Gronau hatte damals etwa 10 000 Einwohner. Der Ort, erstmals 1365 urkundlich erwähnt, bekam 1898 das Stadtrecht. Wichtigster Wirtschaftszweig waren die Spinnereifabriken Gerrit van Delden - die seinerzeit größten auf dem europäischen Festland. Außerdem hatte sich Gronau zum Eisenbahnknotenpunkt entwickelt



Karl-Heinz, wie er von allen genannt wurde, lebte in fünf verschiedenen Deutschland: 
  1. Kaiserreich bis 1918
  2. Weimarer Republik bis 1933
  3. Drittes Reich bis 1945
  4. Bundesrepublik bis 1989
  5. Bundesrepublik nach der Wiedervereinigung. 
Die Mutter, Frieda Ressing - geborene Terp aus Erfurt, war 31 Jahre alt, als sie ihren Sohn bekam. Für damalige Verhältnisse ziemlich spät. Sie hatte den Beruf der Putzmacherin erlernt - heute würde man das Modistin nennen. Sie entwarf und stellte also Damenhüte her.
Der Vater, Heinrich Ressing war vier Jahre jünger als seine Frau und wurde im Kreis Solingen geboren. er hatte, aus einer Bauernfamilie stammend, eine für damalige Verhältnisse erstaunliche Karriere gemacht und war 1910 Sparkassendirektor in Gronau.

Das Leben meines Vaters war auch ein Spiegelbild seiner Epoche bzw. des Epochenwandels, dem Deutschland in den letzten 100 Jahren unterworfen wurde.

Links aktiver Student in Hamburg und Frankfurt Ende der 1920er Jahre, scheitert der Zwanzigjährige 1933 beim Versuch, aus Deutschland nach Frankreich zu emigrieren - ihm fehlt Geld und sein Visum war abgelaufen.
Mit dem Fahrrad fuhr er nach Hamburg und konnte hier durch familiäre Beziehungen als Lokaljournalist anfangen. Den Nazis galt er als politisch Unzuverlässig, so durfte er nur Lokales oder über Sport und Kultur berichten - was nach 45 sein Glück war.
Während des Krieges produzierte er in einer Wehrmachts-Propagandakompanie im nordfranzösischen Lille Zeitungen. Dabei lernte er 1942 durch einen Zufall die 19-Jährige Fernande Aubry kennen - meine spätere Mutter. Diese Verbindung brachte ihm Probleme mit seinen Vorgesetzten ein, da dies bei einem Soldaten in seiner Position unerwünscht war. Glück für Fernande war wohl, dass er während seiner Tätigkeit Zivilkleidung tragen durfte, außerdem sprach er gut Französisch. Darüber hinaus wusste er, das Mitarbeiter Kontakte zur französischen Resistance hatten - was er für sich behielt.
Jedenfalls blieb es nach dem Krieg meiner Mutter erspart, wie es vielen geschah, die mit Deutschen liiert waren, mit kahl geschorenem Kopf durch den Ort getrieben zu werden.
Auf abenteuerlichen Wegen zurück in Hamburg hat sich mein Vater dann im Mai 1945 selbst aus der Wehrmacht entlassen. Im Februar 1947 klopfte ein britischer Soldat an seine Wohnungstür und übergab ihm einen Brief. Er wurde zu einem Gespräch mit einem britischen Offizier bestellt, um auszuloten, ob er geeignet war, an einer deutschsprachigen Besatzungszeitung mitzuarbeiten.
Auf ziemlich abenteuerlichen Wegen gelang es Fernande die französische Grenze zu überqueren und durch drei Besatzungszonen nach Hamburg zu gelangen. Dabei scheiterte ein erster Versuch im Jahr 46, zwei Jahre später gelang es aber. Beide heirateten in Hamburg am 4.9.1948 - im Mai 1949 kam dann meine Schwester Florence zur Welt
Als die französischen Behörden von ihrem illegalen Aufenthalt in Hamburg erfuhren, verlangten sie von der britischen Kommandantur ihre Ausweisung. Angesichts der damals fortgeschrittenen Schwangerschaft, lehnte der britische Stadtkommandant dies glücklicherweise ab.


Heinz und Fernande vor dem Standesamt.



 Was geschah noch am 7. April 1913?


  • Der Deutsche Reichstag beschließt die sogenannte Heeresvorlage - damit sollte die Kaiserliche Wehrmacht verstärkt werden. 
  • Der zweite Balkankrieg verwüstet die Region im Südosten Europas
 Was sich sonst 1913 ereignete


  • Karl ist der beliebteste Name für einen Jungen im Kaiserreich
  • Der FC Gronau und der TV Gronau vereinen ihre Fußballabteilungen
  • In Australien beginnt der Bau der Hauptstadt Canberra
  • In den USA werden Sufragetten bei einer Demonstration um das Frauenwahlrecht angegriffen
  • Woodrow Wilson wird US-Präsident
  • Der immer noch größte Bahnhof der Welt, "Grand Central" in New York eröffnet den Betrieb
  • Österreich-Ungarn erschüttert die Spionageaffaire um Oberst Redl, der Selbstmord begeht
  • Mahatma Gandhi protestiert in Südafrika gegen Rassendiskriminierung.
  • Ein Pilot der russischen Luftwaffe dreht den ersten Looping.  
  • die ALDI-Handelsgruppe wird in Essen gegründet
  • Die kaiserliche "Vaterland" läuft vom Stapel - das damals größte Passagierschiff der Welt
  • Harry Bearley erfindet den rostfreien Stahl
  • Sigmund Freud veröffentlicht sein Buch über das Inzestverbot: "Totem und Tabu".
  • in Kopenhagen wird die Statue der "Kleinen Meerjungfrau" enthüllt.
  • In Leipzig wird das Völkerschlachtsdenkmal eingeweiht
  • Strawinski führt erstmals "Le sacre du printemps" auf.
  • In Wien wird "Pygmalion" uraufgeführt
  • Das erste Kreuzworträtsel erscheint in der US-Zeitung "New York World." 
Geboren wurden:
  • Peter von Zahn, Journalist
  • Werner Höfer, Journalist 
  • Stefan Heym, Journalist und Schriftsteller       




Vier Jahre nach dem Tod meines Vaters habe ich versucht, diese Deutsch-Französische Geschichte meiner Familie aufzuschreiben. Jetzt werde ich sie überarbeiten und unregelmäßig Kapitel in meinem Blog veröffentlichen.

 

https://1913familienalbum.blogspot.com/2023/03/erinnerung-fernande-henriette-aubry.html 

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