Sonntag, 6. August 2023

Wissembourg im Elsass - Ein Sommertraum


 

Der Besuch im beschaulichen Städtchen Wissembourg - im nördlichsten Zipfel des Elsass - ist nicht nur im Winter ein Vergnügen. https://www.blogger.com/blog/post/edit/5128737411704878278/4516887518460479232


Hotel de Ville
An einem warmen Sommertag lädt die Stadt zu einem  beschaulichen Wochenende ein. Die Altstadt von Wissembourg liegt in einem Tal, umgeben von einer Stadtmauer und einem Wassergraben. Von hier aus kann man Wanderungen in den nahegelegenen Pfälzer Wald unternehmen. Viele alte Häuser dokumentieren die wechselhafte Geschichte der Stadt. Sie liegt nur wenige Kilometer entfernt von der deutschen Grenze. Jeden Samstag bietet der Markt Einheimischen wie Touristen Spezialitäten der Region. Am kleinen Flüsschen 'La Lauter', der durch den Ort fließt, kann man auf einer Bank verweilen - eine natürliche Klimaanlage an heissen Tagen. 


Die Region im Dreieck zwischen Rhein, Pfälzer Wald und Lothringen, ist der nördlichste Teil des Elsass. Die Landschaft mit kleinen Städten und Dörfern wirkt oft wie aus der Zeit gefallen. Die Einwohner von Wissembourg tun viel, um die Geschichte ihrer Stadt zu vermitteln - so fanden wir an einer Straßenmauer neben der Sous-Préfècture große Fotos von Einwohnern. Nutzt man den angebrachten QR-Code, bekommt man ihre Geschichte und damit auch die der Stadt erzählt. Ein Projekt, das SchülerInnen der Stadt umgesetzt haben haben.


Geschichte hat diese Region mehr als genug - sie ist oft von Heerzügen heimgesucht worden. Nach dem 30Jährigen Krieg musste Habsburg das Elsass 1648 an das französische Königreich abtreten. Danach war es über 300 Jahre Zankapfel zwischen Frankreich und Deutschland. Im August 1870 wurde Wissembourg Schauplatz der ersten Schlacht des Krieges zwischen beiden Ländern, den Bismarck vom Zaun gebrochen hatte und der Napoleon III. den Thron kostete. Nach der Niederlage Frankreichs wurden das Elsass und Teile Lothringens vom deutschen Kaiserreich annektiert. In Berlin misstraute man aber den ElsässerInnen, nannte man verächtlich 'Wackes' und stationierte Soldaten, vor allem um die Einwohner zu überwachen. Viele fühlten sich weiter Frankreich verbunden, einige verliessen das Elsass - Deutsche aus dem Reich kamen und übernahmen die Verwaltung. Im ersten Weltkrieg mussten viele Elsässer in der Armee des Kaisers gegen Frankreich kämpfen (*) Nach 1918 kam die Region wieder zu Frankreich, die Deutschen mussten gehen. Heute noch kann man in Wissembourg am unterschiedlichen Baustil die verschiedenen Epochen erkennen. Nach dem Sieg Hitler-Deutschlands 1940 über Frankreich, wurde das Elsass wieder 'eingedeutsch', viele Männer mussten für Hitler in den Krieg ziehen, andere kämpften in der Resistance und bei den Alliierten. Erst 1944 wurde die Region von amerikanischen und französischen Truppen befreit - aber im Januar 1945 startete die Wehrmacht hier eine letzte Offensive im Westen. Viele Orte wurden dabei zerstört, Menschen flohen aus Angst vor deutscher Vergeltung. 

Links Frankreich -Zollstation - Rechts Deutschland

 

Nach Kriegsende kam das Elsass endgültig zu Frankreich. Von der wechselhaften Geschichte dieser Grenzregion  zeugen heute noch alte Grenzposten. Wir fuhren von Kandel auf der Landstrasse Richtung Wissembourg. Das Dorf Schweighofen liegt auf einer Anhöhe über der Stadt. Am Ortsende knickt die deutsche Landstrasse rechts ab, geradeaus führt eine französische Strasse in das Tal. Genau hier ist die Grenze, heute kaum

wahrzunehmen, fährt man an einem leicht verwitterten Zollhäuschen vorbei nach Wissembourg hinunter. Viele bemerken erst, wenn sie das erste französische Straßenschild sehen, dass sie Deutschland verlassen haben. Schwer vorstellbar, dass es hier einst eine bewachte Grenze gab - und das ist nicht einmal 30 Jahre her....

Mich erinnert das an meine Kindheit in den 1960er Jahren, damals fuhren wir einmal im Jahr von Hamburg mit unserem 'Käfer' nach Nordfrankreich. Meine Großmutter lebte in einem kleinen französischen Dorf, das nahe der Belgischen Grenze liegt und in dem meine Mutter geboren wurde. Wir kamen oft erst spät in der Nacht an, einmal standen wir auf dem Weg in einem Grenzdorf vor einer heruntergelassenen Schranke samt Vorhängeschloss. Der Zöllner hatte Feierabend und so mussten wir einen Umweg über Lüttich fahren - heute kaum Vorstellbar, aber so war das damals - auch im Elsass. 

Heute fahren viele Deutsche nach Frankreich, um sich in den großen Supermärkten mit französischen Spezialitäten zu versorgen. Der Euro gilt hüben wie drüben, aber der Käse und andere Leckereien sind deutlich günstiger, als in Deutschland. Dafür fahren die Franzosen zum einstigen Grenzübergang beim Deutschen Weintor und kaufen dort Zigarettentabak. Ein Lotto-Shop bietet davon Unmengen an und die Bedienung spricht französisch. Kleiner Grenzverkehr - das ist heute Alltag - aber keine Selbstverständlichkeit, wenn man die Geschichte beider Länder betrachtet.

Viele beschauliche Dörfer mit ihren Fachwerkhäusern sind bei Touristen aus Deutschland wegen der Restaurants und ihrer elsässischen Küche beliebt: Choucroute, Tarte Flambée, Gugelhopf, Munster-Käse und Wein locken. Orte wie Hunspach und Seebach sind Schmuckstücke der Fachwerkkunst. Hunspach wurde 2020
von einem französischen Radiosender zum schönsten Dorf Frankreichs gewählt. Unweit davon findet man aber auch große Bunkeranlagen der Maginot-Linie, mit der sich Frankreich vor seinen deutschen 'Feinden' schützen wollte - genutzt haben sie beim Überfall 1940 nicht. Heute kann man die unterirdischen Katakomben besichtigen.
 

In Wissembourg pflegt man die Stadtgeschichte nicht nur aus touristische Motiven. Im Winter und im Sommer tritt hier ein Laien-Theater auf verschiedenen Plätzen in alten Trachten und Kleidung des 19.Jahrhunderts auf. Sie erzählen Geschichten der Stadt. Wenn es dunkel ist, werden sie dabei von bunten Lampen aus Scheinwerfern beleuchtet.   

 

Auch in Wissembourg haben Gastronomen

dieselben Probleme, wie in Deutschland - Personalmangel und Fachkräfte fehlen. Daher haben manche Restaurants nur an Wochenenden geöffnet und die Speisekarten belegen, das in einigen Küchen Convenience Produkte aufgewärmt werden. Begeistert waren wir deshalb vom kleinen Lokal "Petit Dominicain" in der Hauptstrasse unweit des Hotel de Ville. Eine Reservierung ist allerdings nötig - bei uns ging das problemlos online. Das überschaubare Angebot der Karte zeigt: Hier wird noch selber gekocht. Ein Familienbetrieb in der der Ehemann am Herd steht und seine Frau freundlich serviert - ein schöner Abend für uns im Innenhof des kleinen Lokals. 

 


Mein Lieblings-Auto.....gesehen im Restaurant Seebach


 


 

 

 

 

(*) Tagebuch Dominik Richert: "Beste Gelegenheit zu Sterben" 

 

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