Wissembourg Stadtmauer 3. Dezember 2022 |
Wer das Elsass besucht, hat dabei zumeist die Region um Colmar und Straßbourg im Auge. Weinorte wie Riquewihr am Fuß der Vogesen, ziehen jedes Jahr tausende von Besuchern an. Sie locken mit schön restaurierten Fachwerkhäusern, noblen Hotels und gemütlichen Weinstuben - wirken oft aber ein wenig wie Theater-Kulissen. Wir bevorzugen dagegen den ruhigeren Norden des Elsass: Wissembourg, Woerth, Hagenau und Saverne. Viele Besucher aus Deutschland, dem Rhein-Main-Dreieck und Karlsruhe verbringen hier ein Wochenende - zum Wandern und vor allem wegen der französisch-elsässischen Delikatessen - von Choucroute, Munster Käse über Eclair bis Gugelhupf.
Wissembourg im Advent
Vor allem in der Adventsszeit kommen viele Deutsche zum beschaulichen Weihnachtsmarkt von Wissembourg. Die kleinen Holzhütten laden an den Advents-Wochenenden rund um die Hauptkirche und im Hof der Sous-Préfecture zum Besuch ein. Hier gibt es Spezialitäten der Region, Wurst und Käse aus dem Elsass, Erbsensuppe, Crêpes, Bratwurst und Glühwein - weiß und rot. Geschenkartikel werden angeboten. Eine besondere Attraktion der Advendszeit sind die Aufführungen der örtlichen Theatergruppe 'Ex Nihilo' (1). Dabei erzählen die Laien-Darsteller in Kostümen in der bunt beleuchteten Szenerie am Abend Geschichten
Wissembourg liegt direkt an der französisch-deutschen Grenze, durch den beschaulichen Ort mit seiner alten Stadtmauer fließt die 'Lauter'. Der Pfälzer Wald liegt weniger als fünf Kilometer entfernt. Auf der Anhöhe über der Stadt steht das 'Deutsche Weintor', dessen Architektur sofort verrät, das es in der Nazizeit errichtet wurde. Man wollte dem 'Welschen Erbfeind' im Tal die neue Macht des NS-States zeigen. Einst flatterte hier an der Reichsgrenze eine große Hakenkreuz-Fahne, den Adler mit Hakenkreuz entfernte man 1945 - das scheußliche Tor steht aber immer noch.
Heute friedliche Region - lange umkämpft
Wissembourg hat heute knapp 7500 Einwohner, ein beschaulicher Touristenort, der einst - wie das gesamte Elsass - politischer Zankapfel zwischen Frankreich und Deutschland war. Nach dem dreißigjährigen Krieg gehörte die Region zum französischen Königreich. Das deutsche Kaiserreich verleibte sich das Elsass 1870/71 nach dem Sieg über Frankreich ein, das sich die Region nach dem ersten Weltkrieg zurückholte. Während des Zweiten Weltkrieges annektierte der NS-Staat das Elsass erneut. Im Ersten- und Zweiten Weltkrieg mussten tausende junge Elsässer für Deutschland in den Krieg ziehen. Die letzten Kämpfe im Nordelsass endeten erst Anfang 1945, nach Kriegsende wurde die Region Elsass endgültig franzöisch.
Französisch 1784 |
Deutsch um 1890 |
nach 1918 und 1945. Deutsch oder Elsässisch sprechen war bis weit in die 1960er Jahre verpönt. Die ElsässerInnen galten mit ihrem Regionalstolz lange als 'unsichere Kantonisten'. Den Absurden Streit um die Identität der Region kann man im Nordelsass an der Geschichte alter Denkmäler der vielen Kriege erkennen. Die jeweiligen Sieger entfernten die der Besiegten - heute erinnern sie friedlich nebeneinander an die tragische Geschichte der Region.
Bayerischer Helm - Französisches Tschako |
Im Sommer 1870/71 waren Wissembourg und die Region im Norden Schauplatz blutiger Kämpfe zwischen Truppen des französischen Kaisers Napoleon III. und deutschen Soldaten gewesen. Am 4.August 1870 stürmten preussische und bayerische Truppen von den Pfälzer Anhöhen die Stadt, Soldaten des französischen Kaisers wurden überrascht, waren personell und materiell unterlegen. Es standen 30.000 Deutsche nur etwa 6000 Soldaten Napoleons gegenüber.
Während der Schlacht wurden etwa 1700 französische und deutsche Soldaten getötet oder verwundet. Das Deutsche Reich ließ nach der Annektion 1871 Denkmale für seine 'Helden' errichtete, die Frankreich dann nach 1918 entfernen ließ und durch eigene ersetzte - zwischen 1939 und 1945 geschah dies erneut. Heute findet man in der Region viele restaurierte Erinnerungen und kleine Museen des Krieges 1870/71 - ein französisches Denkmal wurde noch 2005 errichtet.
Über die Geschichte der Stadt und seine deutsch-französische Vergangenheit bietet das Gebäude der Unterpräfektur von 1784. Auf einer Etage ist der Bestand der Sammlung des einstigen Museums 'Westercamp' untergebracht. Das Museum befand sich bis 2002 in einem alten Bauernhof der Stadt, musste aber aus Sicherheitsgründen den Standort wechseln. Gründer der Sammlung war Paul Westercamp, Notar in Wissembourg und Sammler, der das Museum zusammen mit demdem Heimatverein ab 1872 aufbaute, es wurde offiziell am 12.Mai 1913 eröffnet. Heute bietet das kleine Museum Artefakte aus römischer Zeit, Möbel und Trachten des 19.Jahrhunderts. Alte Uniformen und Waffen dokumentieren die tragischen Ereignisse von 1870.
Viele Besucher kommen nach Wissembourg aber nicht wegen seiner bewegten Geschichte, sondern um zu Wandern oder die alte Stadt zu genießen. Restaurants und Cafés laden, oft hinter alten Fassaden, zum Besuch ein. Wissembourg wirkt aber nicht wie das 'Disney-Alsace' im Südden der Region, in der Stadt leben und arbeiten Menschen - grenzberschreitend. Deutsche haben sich in den letzten Jahrzehnten Feriendomizile im Nordelsass gekauft. Lezteres hat dabei durchaus auch für Unmut unter Einheimischen gesorgt, sie fürchten, dass die Deutschen die Preise verderben. Im Gegensatz zu früherer Zeit, in der das Elsass als Randgebiet der Republik galt, zählt es heute zu den wohlhabenden Regionen Frankreichs. Im Sommer hier eine Unterkunft zu finden, ist nicht leicht, auch die Restaurants sind an Wochenende oft ausgebucht - man sollte reservieren - kein Problem, denn viele verstehen und sprechen hier Deutsch.
Frohe Weihnachten - Joyeux noël
Info:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wissembourg
(1) https://www.exnihilowissembourg.com/preface
Siehe auch: https://1913familienalbum.blogspot.com/2023/08/wissembourg-im-elsass-ein-sommertraum.html