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Alle waren zu Alma's Taufe gekommen
Was gibt es Schöneres als eine Familienfeier bei sommerlichen Temperaturen in einem kühlen Garten? Genau dazu hatten uns am Samstag den 28. Juni 2025 mein Neffe Gentil und seine Partnerin Maria nach Halberstadt in Sachsen-Anhalt eingeladen. Alma Rosária, ihre vor acht Monaten in Berlin geborene Tochter, sollte an diesem Tag im Dom getauft werden.
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Vor der heute evangelischen Kirche, einst als katholischer Dom zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert im französisch-gothischen Stil erbaut, trafen sich am Samstag Mittag die von überall angereiste Gäste unter der heißen Sonne. Aber der Dom bot uns mit dem kühlen Kirchenschiff im Halbdunkel Ruhe und Entspannung. Viele Freunde der Eltern waren gekommen, und die kleine Alma blickte neugierig auf dem Arm der Mutter umher. Sie lächelte dabei vergnügt mit ihren großen blauen Augen. Der evangelische Superintendent des Kirchenkreises Halberstadt taufte Alma über dem großen Steinbecken, gefüllt mit Weihwasser aus Portugal, der Heimat von Gentils Vater José. Auch für eher kirchenferne Menschen, wie mich und meine Frau Caro, herrschte in der Kirche eine fröhliche Atmosphäre. Ein Schulfreund Gentils aus Hamburg hatte seine C-Trompete mitgebracht und spielte zweimal von der Orgel-Empore, begleitet vom Organisten des Domes.
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Rechts: Maria und Alma mit Gentil, Florence und José, Caro mit Mann
Nach der Taufe versammelten sich die Gäste im schönen Garten des alten Hauses, das heute von Marias Vater bewohnt und Schritt für Schritt renoviert wird. Unter einem großen Baum gab es an Tischen Erfrischungen, es ging zwangslos und entspannt zu. Viele Gäste lernten sich hier erstmals kennen und plauderten miteinander. es wurden keine großen Ansprachen oder Reden gehalten. Meine Schwester Florence war mit Gentils Vater José aus Hamburg angereist, wir aus Stuttgart. Damit trafen sich in Halberstadt nicht nur drei Generationen Ressings, ein lebhafter Mix verschiedener Nationalitäten. Florence und ich haben die deutsche und französische Staatsbürgerschaft - Gentil ausserdem noch die seines portugiesischen Vaters. Gelebte Vielfalt und Gelassenheit.....
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Hier ein Foto aus früheren Tagen: Philippe und Gentil....
Halberstadt mit seinen heute etwa 36 000 EinwohnerInnen bietet, mit seinem restaurierten Platz zwischen Dom und Liebfrauenkirche, ein schön restauriertes Zentrum. Außerhalb des Stadtkerns finden sich fast komplett erhaltene Viertel mit alten Mehrfamilienhäuser und Villen, viele stammen noch aus der Vorkriegszeit. Komplettiert werden sie durch die alten Kopfsteinpflaster - im Norden Deutschlands 'Katzenköpfe' genannt. Letztlich war es der schlechten wirtschaftlichen Lage in der DDR zu verdanken, dass die Viertel heute noch existieren. Im Westen stünden hier längst die an Bunker erinnernden Beton-Villen der Wohlhabenden plus Tiefgarage für den SUV. Dazu noch eine Fußnote: Die DDR verkaufte die alten 'Katzenköpfe' der Dorfsrtassen vor 1989 für D-Mark an wohlhabende BRD-Gemeinden. Zurück blieben damals oft in den DDR-Dörfern Sandpisten.
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Dom: Denkmal für die deportierten Juden Halberstadts
Vor dem Dom in Halberstadt steht ein Denkmal. dicht nebeneinander stehende Stein-Steelen. Auf ihnen sind die Namen der jüdischen BewohnerInnen Halberstadts festgehalten. Die Stadt hatte vor 1933 eine große jüdische Gemeinde, die Synagoge wurde dann 1938 Opfer der 'Reichspogromnacht' und die Ruine später abgerissen. Die Gemeinde wurde zwischen 1942/43 in NS-Vernichtungslager deportiert - die meisten nach Theresienstadt im heutigen Tschechien (Teresin). Die Deportierten mussten sich damals, vor allen Bewohnern des Ortes, auf dem Platz vor dem Dom zum Abtransport sammeln, daran erinnert das Denkmal. Heute zeigen Neonazis und die AFD im Ort Präsenz, die rechtsradikale Partei stellt im Gemeinderat nach der CDU die zweitgrößte Fraktion. Halberstadt hat, wie viele Orte in der Region, mit Abwanderung vor allem Jüngerer und einer damit einhergehenden Überalterung zu kämpfen. Der Ort wirkte zwar 'aufgeräumt' aber auch leer.
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Wir hatten für unseren Aufenthalt ein originelles Hotel am Stadtrand gebucht, das ehemalige Sommer-Freibad von Halberstadt. Es wurde 1927 eröffnet und stellte 1997 seinen Betrieb ein, das alte Gelände wurde zugeschüttet. Erhalten blieb das große alte Empfangsgebäude, es wurde zu einem Hotel umgebaut, und in der einstigen Halle befindet sich jetzt ein Restaurant mitsamt einem kleinen Hotel. Um die Gäste an die einstige Bestimmung des Gebäudes zu erinnern, hat man ein paar alte Umkleidekabinen erhalten. Alte Schilder an der Decke des Restaurant mahnen: `Langsam Gehen' Eine Broschüre, die man mir schenkte, zeigt die Geschichte des Bades. Wirklich eine nette und originelle Unterkunft - etwa zehn Minuten Fussweg vom Dom entfernt.
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Erinnerungen....
Es war irgendwann im Jahr 1990, da kamen mein Studienfreund Reiner und ich auf die Idee, den Harz östlich der alten Grenze zu erkunden. Er war uns 'Wessis' ja immer verschlossen gewesen. Nur wer Verwandete hatte, konnte in die DDR einreisen, und das Grenzgebiet im Harz um den Brocken war trotzdem unerreichbar gewesen, da militärisches Sperrgebiet, auch für DDR-Bürger. Hier gab es umfangreiche Abhöranlagen der sowjetischen Armee, mit einem Fernglas konnte ich früher von der West-Grenze aus ihre Antennen auf dem Brocken sehen.
Nun war die DDR im November 1989 als 'Sozialistischer Arbeiter und Bauernstaat' untergegangen und wurde ab 1990 schrittweise von der Bundesrepublik 'geschluckt'. Reiner und ich, machten uns nach Abschluss unseres Soziologie-Studiums auf den Weg, um die 'Rückseite des Mondes' - sprich DDR zu erkunden. Mit Reiners etwas betagtem VW-Golf überquerten wir bei Wernigerode die einstige DDR-Grenze. Man hatte eilig über den einstigen 'Todesstreifen' mit dem Bulldozer eine Lücke geschlagen und eine kleine Betonpiste gelegt. So konnten wir über frisch asphaltierte Straße in den Ostharz fahren, vorbei am einst unüberwindlichen 'Antifaschistischen Schutzwall' mit Stacheldraht und Selbstschussanlagen. Schon ein seltsames Gefühl.
Erste Überraschung: Obwohl überall die Häuser und Dörfer sehr heruntergekommen wirkten, war Wernigerode aufwändig restauriert worden. Das lag daran, dass die DDR-Regierung das Städtchen als Beispiel für 'sozialistische Denkmalpflege' gewählt hatte. Da wir beiden politisch und geschichtlich interessiert waren, fuhren wir aber nicht nur touristische Sehenswürdigkeiten an. Unser Weg führte uns auch zur Gedenkstätte 'KZ-Mittelbau Dora' bei Nordhausen in Thüringen. Hier wurden 1943 von KZ-Häftlingen tiefe Schächte für den Bau der V1 und V2 Raketen in den Fels getrieben. Von den etwa 60 000 eingesetzten Häftlingen starben dabei rund 20 000 an den Entbehrungen. 1990 wirkte die DDR Gedenkstätte auf uns, wie ein verlassener Steinbruch, nur ein paar Schilder wiesen uns den Weg. Ziemlich makaber empfanden wir, dass direkt eben der Gedenkstätte ein DDR-Hundesportclub sein Vereinsheim hatte. So hörten wir, während wir das einsame Gelände erkundeten, immer wieder lautes Gebell - das an die SS-Hunde erinnerte.
Wir fuhren weiter, bis wir in Bad Frankenhausen oberhalb eines Berghangs einen monumentalen Rundbau sahen - das Denkmal zur Erinnerung an den deutschen Bauernkrieg 1525, bei dem hier tausende Aufständische von den Rittern erschlagen worden waren. Zu unserer Überraschung war das einstige DDR-Museum geöffnet, und ein Wächter, der schon damals dort gearbeitet hatte, führte uns in den Rundbau. Hier hatte der DDR-Künstler Werner Tübke ein monumentales Panorama des Bauernkrieges gemalt. Das besondere war, dass man zuerst im dunklen Saal stand und dann langsam das Licht hochgefahren wurde, so dass zum Schluß das ganze Panorama erleuchtet wurde.
Nach dem Ende der DDR wurde lange darüber gestritten, ob das Museum als Symbol des SED-Staates geschlossen werden sollte. Zum Glück ist das nicht geschehen.
Wir fuhren weiter, und auf dem Weg nach Magdeburg kamen wir auch nach Halberstadt, bekannt für seinen Dom. Über den Zustand der Stadt waren wir ziemlich erschrocken. Einst lebten hier über 40 000 Menschen, aber durch die verheerenden Bombenangriffen der Alliierten 1945 war die Stadt zu über 80 Prozent zerstört worden. Die immerhin etwa zehn Prozent jüdische Bevölkerung war zuvor Deportiert worden und fiel dem Holocaust zum Opfer.
Als Reiner und ich mit dem Auto durch Halberstadt fuhren, wirkte es, als sei der Bombenangriff erst wenige Monate zuvor gewesen. Trümmergrundstücke und in den Strassen waren immer noch große Bombentrichter, die man notdürftig mit Stahlplatten überdeckt hatte. Einige 'Plattenbauten' waren in den 1950er Jahren entstanden, und die beiden Kirchen standen noch. Insgesamt aber damals ein trauriger Abschied vom Ost-Harz.
2025 - Familiäre Begegnung in Braunschweig
Da Caros Geburtsort Braunschweig nur knapp 60 Kilometer westlich von Halberstadt liegt, hatten wir beschlossen, uns dort mit ihrer Tante und der Familie zu treffen. Alle waren bei Kriegsende aus Schlesien in den Westen geflüchtet, auch die Familie von Caros Mutter. Dort lernten sich nach dem Krieg die Flüchtlinge Fritz und Gisela kennen, heirateten und bekamen zwei Töchter. Später zogen die Familie nach Karlsruhe. Fritz' jüngere Schwester und sein Bruder blieben in der Region um Braunschweig. Nach dem Treffen zur Taufe in Halberstadt gab es in Braunschweig für uns damit ein zweites Familientreffen in einem schönen Gartenlokal am Rand der Stadt. Wir genossen den letzten Spargel der Saison, alle waren entspannt und fröhlich, man weiss ja nicht, ob man sich so bald wiedersehen wird.
Wir wohnten in einem einstigen kleinen Fabrikgebäude, unweit der Braunschweiger
Innenstadt. So nutzten wir die Gelegenheit, das Stadtzentrum zu erkunden. Auch hier hatten die massiven Bombenangriffe der Alliierten und der in den 1970er Jahren erfolgte Kahlschlag für Kaufhäuser und Bürogebäude das Zentrum ziemlich gesichtslos werden lassen - wie fast überall im 'Westen' der Bundesrepublik. Immerhin wurden aber einige städtebauliche Sehenswürdigkeiten gerettet und restauriert, so das Standbild des bekannten 'Braunschweiger Löwen' - Symbol des einstigen Landesfürsten.
Braunschweiger Löwe I |
Im Jahr 2001 bekam Braunschweig mit dem 'Happy Rizzi-House' des US Künstlers James Rizzi eine neue und besondere Sehenswürdigkeit. Der Häuserkomplex nahe der City fällt sofort jedem Besucher auf. Die bunten Fassaden vermitteln Fröhlichkeit und erinnerten mich etwas an die von Hundertwasser geschaffenen Gebäude und Fassaden. Die Rizzi Häuser sind jedenfalls ein lebhafter Farbklecks zwischen restaurierten Fachwerkhäusern und der etwas tristen Einkaufsmeile Braunschweigs. Dem Vernehmen nach sind aber nicht alle Bewohner damit glücklich.